Vor einigen Monaten hatte ich eine Mail in meinem Postfach, ob ich meine Videos „Pictures of South East Asia“ und „30 Years After“ beim Fantadia-Festival zeigen möchte. Ich sage zu (es gibt ja nichts zu verlieren) und entscheide relativ spontan, dass ich eigentlich auch selbst kommen könnte. Gesagt, getan – ich buche die Flüge und ein Mietauto, eine Unterkunft stellt das Festival. Bei der Ankunft am Flughafen wird das vermeintlich spottbillige Mietauto erst mal um ein dreifaches teurer, weil das Transaktionslimit auf meiner Kreditkarte nicht für die Kaution reicht und ich deshalb gezwungen werde, für 100€ eine Versicherung abzuschließen. Meine Laune ist etwas getrübt, aber da ich nichts daran ändern kann, lenke ich meine Gedanken lieber wieder auf positive Dinge, zum Beispiel Essen. Nach vier Wochen Iran ist ein bisschen Abwechslung sehr willkommen und die Pizzeria auf dem Weg nach Asolo hat gute Preise und schmeckt.
In Asolo angekommen suche ich erst mal eine Weile die Unterkunft, die etwas versteckt und vor allem ausgestorben ist. Ich fahre zunächst in die falsche Einfahrt, die zwar zum Grundstück gehört, aber irgendwo anders hinführt. Es ist stockfinster und mir rennt erst mal ein Reh vor meinen Fiat Panda. Ich kehre wieder um und finde nach einer Weile den richtigen Eingang, wo mir ein Mann ohne nennenswerte Englisch-Kenntnisse den Eingang und meinen Schlüssel zeigt. Jemand anders scheint nicht im Haus zu sein und da ich ein wenig Müde bin und keine allzu große Lust mehr habe, die Stadt zu erkunden, lege ich mich hin. Zum Frühstück bin ich doch nicht mehr alleine und nach einem Blick in das Programmheft, was ich bisher noch nicht vorliegen hatte, wird mir klar, dass die anderen einfach noch bis spätabends beim Festival waren. Ich laufe 10 Minuten ins Zentrum des wirklich sehr überschaubaren Asolo und sehe mich erst mal ein wenig um. Alles ist ein bisschen wie im Bilderbuch und obwohl ich das letzte Mal mit 10 Jahren in Italien war, ist es hier genau so, wie ich das Land in Erinnerung habe. Ich sehe mir ein paar der ausgestellten Fotos an, mehr gibt es bis zum Abend auch nicht an Festivalprogramm. Deshalb setze ich mich mittags ins Auto, um ein wenig in Richtung Berge zu fahren. Mein Plan, irgendwo an einen Aussichtspunkt zu kommen, geht zwar leider nicht auf, aber trotzdem ist es eine sehr schöne Strecke.
Vor der „Filmvorführung“ esse ich noch eine großartige Antipasti-Platte und gehe dann zum Theater, wo heute Abend „Pictures of South East Asia“ im Programm ist. Das Festival ist komplett anders, als ich es mir vorgestellt habe. Das Durchschnittsalter im Publikum ist Mitte 50, offenbar kommt der Großteil hier aus dem Ort. Die Blocks, in denen meine Videos laufen, sind zu höchstens einem Viertel Bewegtbild, der Rest sind Diashows von den Reisen der ortsansässigen Hobbyfotografen, die fotografisch größtenteils nicht schlecht, aber ganz schrecklich zusammengestellt sind – man sieht zu keinem Zeitpunkt das gesamte Foto, ein Übergangs-Effekt ist extremer als der andere und untermalt wird das Ganze mit melodramatischer Musik und eingestreuten italienischen Zitaten. Das Fremdscham-Fass wird bei mir zum Überlaufen gebracht, als auf wirklich beeindruckende Fotos aus Afghanistan Schussgeräusche gelegt und fliegende Patronenhülsen und Bombenteppiche animiert werden. Zwischen den Videos und Diashows machen zwei Leute auf der Bühne live World Music, jeweils passend zum folgenden Beitrag. Im Anschluss an das Programm treffen draußen vor dem Theater zwei Welten aufeinander – die Besucher des Festivals und besoffene amerikanische Hochzeitsgäste. Ich schaue mir das Schauspiel noch eine Weile an, laufe ein bisschen durch die Gassen und lege mich dann mit Netflix ins Bett.
Am nächsten Tag mache ich einen Ausflug in die nächstgrößere Stadt – Bessano del Grappa. Sie hat nichts besonderes zu bieten, aber Asolo habe ich inzwischen abgefrühstückt. Ich telefoniere mit Berni, weil ich durch einen Zufall herausgefunden habe, dass er auf dem Weg nach Italien ist (der Zufall lief wie folgt ab: Ich sehe Bernis Mitbewohner im Flugzeug, frage Berni per SMS, ob ich richtig gesehen habe, Berni schreibt ja und er käme auch am Sonntag runter). Im Telefonat kommt raus, er ist gerade in den österreichischen Alpen, will nun aber so schnell wie möglich vor dem schlechten Wetter flüchten und trampt deshalb noch am Abend nach Italien. Nach meiner zweiten Vorführung, gegen halb zwölf, steige ich ins Auto, um Berni im anderthalb Stunden entfernten Verona aufzugabeln und heimlich in mein Zimmer zu schleusen.
Der Sonntag ist verregnet, deshalb verbringen wir ihn zu einem großen Teil im Auto. Nach dem Ausschlafen und einem Mittagessen in meinem Lieblingsrestaurant fahren wir zuerst in den Nationalpark Belluneser Dolomiten, wo uns ein Meer von Schafen entgegen kommt. Im Ernst, ich habe noch nie so viele Schafe auf einen Haufen gesehen, wie uns da die Straße entlang entgegen getrieben werden. Es dauert über fünf Minuten, bis alle durch sind und wir weiter fahren können, aber es ist ein schöner Moment. Wir halten hier und da für Fotos an und kommen dann an den Wasserfall „Cascata della Soffia“, der gut gefüllt und daher recht beeindruckend ist. Durch das Wetter ist außer uns fast niemand hier unterwegs. Auf dem Rückweg aus dem Tal heraus müssen wir wieder eine Weile hinter den Schafen herdackeln, die es trotz unserer vielen Pausen und dem kleinen Spaziergang noch nicht auf ihre neue Weide geschafft haben, danach machen wir uns auf den Weg in Richtung Meer, wo wir uns einen Camping-Spot suchen wollen (der Wetterbericht verspricht für den Abend keinen Regen mehr). Nach einer längeren erfolglosen Suche an der völlig zugebauten Küste nördlich von Venedig gehen wir erst mal in einem Urlaubsort, wo alle deutsch reden, eine Carbonara essen und werden danach von einem Starkregen wie aus Eimern überrascht. Berni fällt – etwas zu spät – ein, dass sein Mitbewohner Duc Leute in Venedig kennt und versucht ihn erfolglos zu erreichen. Wir fahren in der Hoffnung auf einen baldigen Rückruf langsam Richtung Venedig, aber auch dort angekommen können wir Duc nicht erreichen. Wir irren noch eine Weile umher und schlagen dann unser Schlaflager auf einer kleinen Brücke in einem Vorort von Venedig mit dem etwas unpassenden Namen „Marocco“ auf. Die Nacht ist durch diverse Regenschauer nicht wahnsinnig erholsam, aber das Tarp hält dicht. Wir frühstücken aus dem Kofferraum an einem kleinen Hafen mit Blick auf das alte Venedig, danach klärt Berni seine Weiterfahrt nach Süden, ich bringe ihn noch an einen Gabelpunkt, wo er abgeholt wird und dann mache ich mich auch schon langsam wieder auf den Weg zum Flughafen.