Wir fahren mit Anahitas Mutter zum Ferienhaus der Safarnejads in der Provinz Gilan (von Anahita immer einfach liebevoll „Der Norden“ genannt). Es liegt idyllisch zwischen Reisfeldern und Bauernhäusern und wir machen noch einen abendlichen Spaziergang durch die Umgebung, wo wir immer wieder von Verwandten und Bekannten aufgehalten werden. Till und ich sind etwas geschafft und gehen früh schlafen, während Anahita noch mit ihren Cousins Feuer macht.
Am nächsten Tag machen wir uns nach einem deliziösen Frühstück auf der Terrasse mit ebendiesen Cousins auf eine Sightseeing-Runde in der Umgebung. Unser erstes Ziel ist Ghale’e Rudkhan, eine mittelalterliche Festungsruine auf einem Berg, die man über etwa 1000 Stufen erreicht. Anahita streitet sich mal wieder mit dem Ticket-Verkäufer, warum Ausländer sechs mal so viel zahlen müssen wie Iraner, allerdings wie immer vergeblich. Es ist an sich sehr schön auf der Festung, allerdings wahnsinnig überlaufen – Gilan ist eine sehr beliebte Urlaubsregion bei Iranern. Schon auf dem Weg nach oben gibt es unzählige Einkaufs- und Essensmöglichkeiten, oben angekommen werden in alle erdenkliche Richtungen Selfies geschossen. Wir sitzen noch ein Weilchen etwas abseits des größten Spektakels, gehen dann langsam wieder die Treppen runter und gönnen uns ein etwas überteuertes spätes Mittagessen. Danach machen wir uns auf den Weg nach Masouleh, einem weiteren „touristisch interessanten“ Dorf, wo wir allerdings schon Kilometer davor im Stau stehen und lieber wieder umkehren.
Beim Abendessen schlägt Anahitas Mutter vor, noch einen Abstecher nach Emamzadeh Ebrahim zu machen, sie beschreibt es als ein schönes Bergdorf. Da wir inzwischen eine Vorstellung davon haben, was für Iraner ein „schönes Bergdorf“ ist, stellen wir uns nicht auf ländliche Idylle ein. Unsere Erwartungen werden sogar noch übertroffen, denn das Dorf ist eine bunte Reizüberflutung und obwohl es schon nach Mitternacht ist, tummeln sich Familien mit kleinen Kindern auf den teilweise taghell beleuchteten Straßen. Es regnet zum ersten Mal auf unserer Reise, was die vielen Lichter noch intensiver macht. Um uns herum sind unzählige Herbergen – hölzerne dreistöckige Häuser ohne Fenster, dafür mit bunten Glühbirnen, und es dampft und räuchert aus allen Ecken. Zwischen all den quietschbunten Plastik-Spielzeugläden setzen wir uns auf einen Tee in ein kleines Restaurant, deren Eigentümer sich als ein alter Bekannter von Anahitas Vater herausstellt und erst jetzt von dessen Tod letztes Jahr erfährt. Es ist eine etwas merkwürdige Situation und da die drei nun auf persisch Anekdoten austauschen und Till währenddessen Shisha raucht, begebe ich mich noch mal auf eine kleine Entdeckungstour in den Straßen ringsherum, wo ich von einem kleinen Jungen herumgeführt und allen vorgestellt werde und für einige Selfies herhalten muss.
Am letzten Tag vor unserer Abreise wollen wir noch einmal campen fahren und Anahitas Cousins haben auch schon einen Vorschlag, wo wir hin fahren können. Bevor wir uns auf den Weg begeben, verirrt sich noch eine etwa zwei Zentimeter kleine Schildkröte aus den angrenzenden Reisfeldern in unseren Garten, die bei Till und mir große Faszination erzeugt, die Anderen sind weniger beeindruckt. Wir bringen sie zurück in ihre natürliche Umgebung und fahren mit vollem Auto los, noch einmal drei Stunden weiter Richtung Nordwesten. Der auserkorene Ort ist zwar in den Bergen, aber ohne Aussicht – nicht wirklich so, wie wir alle uns das vorgestellt haben. Wir stecken außerdem mitten in den Wolken, weshalb es recht kalt und feucht ist – aber dafür hat man ja ein Lagerfeuer. Die Nacht ist nicht wahnsinnig erholsam, da Anahitas einwandiges Zelt nur begrenzt dicht hält und am nächsten Tag fahren wir etwa neun Stunden zurück nach Teheran, wo wir uns vor unserem Flug nach Deutschland noch einmal kurz ausruhen können. Obwohl ich mich zum Zeitpunkt des Fluges wahnsinnig auf eine Sitz-Toilette, ein richtiges Bett und Käse freue, dauert es nur ein paar Tage, bis ich den Iran schon wieder ein bisschen vermisse.
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