Schon die Überfahrt nach Santo Antão ist ein großes Highlight, denn links und rechts von der Fähre kann man immer wieder fliegende Fische beobachten, die teilweise locker über 50 Meter durch die Luft gleiten und flattern. Wahnsinnig faszinierend. Ich mache mir gar nicht die Mühe, zu probieren, das fotografisch festzuhalten – die von der BBC können das eh besser, also schaut euch das einfach hier an (ganz so dramatisch läuft es neben der Fähre natürlich nicht ab).

Dort angekommen nehme ich ein Aluguer zu meinem Guesthouse, dem „Black Mamba“. Es ist außerordentlich schön hier – es sieht zwar alles ein bisschen so aus, als hätte es ein zwölfjähriges Mädchen eingerichtet, aber ich habe ein riesiges Fenster mit Meerblick, Holzboden und das geteilte Bad ist modern und schick mit warmem Wasser (das ist eine Premiere). Die Besitzerin Liana gibt mir einige Tipps bezüglich Wanderrouten und klärt mir ein Aluguer vom Nachbarort, denn es ist für Ortsfremde etwas unübersichtlich, wer von dort in welches Dorf fährt.

Ich fahre mit 19 weiteren Personen (neuer Rekord!) in einem Toyota Kleinbus über eine schmale Straße mit steilen Kurven ganz nach oben zu einem Krater namens Cova. Schon auf dem Weg offenbaren sich dramatische Ausblicke auf die Berge. Die Wanderung geht durch den Krater (der landwirtschaftlich genutzt wird) und dann ins Tal, der Ausblick ist gut, war aber vom Auto aus besser. Es ist ganz schön anstrengend, die ganze Zeit steil bergab zu gehen, besonders weil ich meine Wanderschuhe aus Platzgründen zu Hause gelassen habe. Eine Weile nachdem ich vom Wanderweg auf die Straße komme und es laut der Karte nur noch entlang der Straße weitergeht, wird mir der Weg etwas langweilig und ich ergreife die Gelegenheit, als mich ein Aluguer anhupt. Wieder am Meer angekommen gehe ich noch die Treppen hoch zu der Statue von irgendeinem heiligen Antonio, dann kurz zum Guesthouse und anschließend ein wenig am Meer entlang, mit dem Ziel, irgendwo zu baden (Liana hat mir irgendwas von einem „Natural Pool“ erzählt). Die Straße ist aber ein ganz schönes Stück über dem Meer und als ich an einer Stelle ankomme, wo ich so etwas wie einen natürlichen Pool unten erkenne, ist es mir unmöglich, runter zu kommen – ich versuche es, aber nach der Hälfte breche ich ab, weil ich sonst nur eine Gerölllawine verursachen und unsanft im Meer landen würde. Also lasse ich den Abend ruhig bei einer Pizza ausklingen und Liana erklärt mir für den kommenden Tag noch mal, wie ich zu dem Pool komme.

Cova-Krater mit Kaffee-Anbau

Weg nach unten

Ich finde am Morgen heraus, dass auch das Frühstück sehr gut ist – YES! Danach fahre ich nach Ribeira Grande, um das Tal der Ribeira da Torre hochzulaufen. Es ist wieder eine Straße. Ich werde gleich relativ am Anfang abgelenkt durch ein Schild mit der Aufschrift „Ribeirinha de Jorge“ (oder so ähnlich, es ist nicht auf der Karte, also kann ich es nicht mehr überprüfen). Verniedlichung klingt nach kleineren Wegen und kleinere Wege sind immer besser. In der Tat ist es sehr charmant, aber auch eine sehr kurze Runde – es geht durch ein Dorf, über Terrassen mit Bananenstauden und ich mache einen kleinen Stopp bei einer Gruppe von Kindern, die mit beachtlichem Taktgefühl diversen Schrott zu Schlaginstrumenten umfunktionieren. Ein sehr musikalisches Land eben, auf dem größten Geldschein ist z.B. auch die Sängerin Cesária Évora, deren Tod 2011 Grund für eine vom Präsidenten ausgerufene 48-stündige Staatstrauer war. Zurück auf dem Hauptweg wird mir relativ schnell wieder langweilig, ich stehe einfach nicht auf Wandern an befahrenen Straßen. Ich nehme also ein Aluguer bis ans letzte Ende der Straße, wo der Ausblick schon nicht zu verachten ist. Ich laufe noch ein wenig wahllos auf den umliegenden Wegen umher und wage dann einen Blick auf die Karte. Ich könnte jetzt einen gestrichelten Weg entlang gehen und wäre in sieben Kilometern wieder an einer Straße. Allerdings mit knapp 1000 Höhenmetern und da sagt mir mein Muskelkater von Vortag „nope“. Oh Mann, ich bin echt aus der Übung – aber steil bergab gehen ist auch anstrengend, zu meiner Verteidigung.

Ich nehme ein paar hundert Meter weiter unten in einem Dorf namens Xôxô ein Mittagessen zu mir und laufe ein Stück ins Tal, bis ich das erstbeste nach Aluguer aussehende Auto stoppe. Darin sitzt der persönliche Fahrer eines Franzosen, der hier Urlaub macht und er nimmt mich kostenlos mit, weil er ja eh bezahlt wird.

Junge Trommler.

Als nächstes geht es zu dem natürlichen Pool, inzwischen weiß ich ja besser, wo er ist. Tatsächlich sind es sogar drei oder vier und es ist wirklich sehr schön da (ich bin sowieso großer Fan von Lavagestein am Meer), allerdings jetzt am Nachmittag auch recht gut besucht, trotz Nebensaison. Es ist auch leider zum Teil etwas müllig und riecht nach Urin, aber der mittlere Pool ist sehr nett, um mal eine kurze Weile darin zu verbringen. Man muss nur immer den Überblick darüber behalten, wie nah man an die Außenwände kommt, denn da wimmelt es vor Seeigeln. Nach einer Weile steht mir eher der Sinn nach offenem Meer und ich gehe noch ein paar Meter um die Ecke zum Strand. Ein sehr schöner Strand, wenn auch nicht klassisch schön. Größtenteils steinig, aber im Wasser und einen kurzen Streifen davor ist dunkelbrauner Sand. Was ihn aber vor allem schön macht, ist der Wahnsinns-Blick auf die Berge entlang der Küste bis Ponta do Sol, die mehr und mehr im Dunst verschwinden. Die Wellen sind immer mal wieder recht hoch, ich liebe das ja. Ich merke, wie ich es schon nach anderthalb Tagen Abstinenz vermisst habe, mal wieder im Meer zu baden (wie soll das nur in Berlin werden?). Einige der Jungs hier machen eine Art Surfen ohne Brett – sie schwimmen kurz mit der Welle, um auf ihre Geschwindigkeit zu kommen und machen sich dann selbst zum Brett, indem sie die Arme anlegen und Körperspannung halten. Ich versuche das nachzumachen, werde aber ziemlich unsanft herumgewirbelt und in den Sand gedrückt, also überlasse ich diese Disziplin dann doch wieder den Profis.

Chillin‘

Wellen und Berge, was will man mehr?

Als ich dann wieder draußen sitze und meine regionalen Mini-Mangos verspeise, höre ich die Kinder der kapverdischen Großfamilie neben mir deutsch sprechen. Einer von ihnen heißt sogar Janis (oder wahrscheinlich Yannis, er sieht nämlich auch aus, als könnte einer seiner Elternteile griechisch sein). Ich frage sie, wo sie herkommen, und sie antworten Luxemburg. Ich habe das schon mal gelesen, dass Luxemburg aus irgendeinem Grund eine relativ große kapverdianische Community hat – vor allem gemessen an der Einwohnerzahl Luxemburgs und der Einwohnerzahl der Kapverden. Ansonsten sind sie aber nicht sehr gesprächig, weil schwer beschäftigt mit dem gegenseitigen Einbuddeln.

Mein dritter und letzter Tag auf der Insel ist mein persönliches Highlight, und zwar mit Abstand. Ich fahre auf Lianas Empfehlung hin nach Ponta do Sol und laufe von dort aus eine kleine Straße an der Küste entlang erst nach Fontainhas und dann weiter nach Corvo. Dieser Weg schafft es landschaftlich locker in meine Top-5 aller Zeiten. Links die Bergwand, rechts das Meer, meistens etwa 150 Meter unter mir. Bis Fontainhas ist der Weg noch eine befahrbare Straße, auf der mir in der Stunde aber vielleicht vier Autos begegnen. Dort angekommen (wunderschönes Bergdorf!) esse ich ein Kräuter-Omelette in der Bar Tchu, wo die wahnsinnig lieben Betreiberinnen sich trotz Sprachbarriere sehr große Mühe geben, mit mir zu kommunizieren. Es wird eine Mischung aus Kreol, Portugiesisch, Spanisch und Englisch, mit der wir uns dann irgendwie sehr langsam verständigen können. Nachdem ich dort wahrscheinlich eine gute Stunde gesessen habe, breche ich auf zum zweiten Streckenabschnitt nach Corvo.

Cesária Évora, der Stolz der Nation.

Der ehemalige Flughafen von Santo Antão. Jetzt kommt man nur noch mit dem Schiff hin.

So schön.

Fontainhas

Na hoffentlich hält das!

Ponta do Sol

Der Weg ist nun deutlich schmaler und geht ordentlich hoch und runter, am Wegesrand sind immer wieder Stationen der Passion Christi auf kleinen Schildern aufgezeichnet, offenbar ist das hier auch ein Pilgerweg. Am höchsten Punkt des Weges ist eine bizarre Felsformation zu sehen, danach geht es ins Tal, in dem das Dorf Corvo liegt. Liana hat mir noch den Tipp gegeben, man könne auf der Regenrinne, die aus den Bergen ins Dorf führt, noch ein Stück ins Tal gehen und das mache ich auch. Durch das feuchte Klima zwischen den Bergen kann hier allerhand angebaut werden, alles ist übersäht mit Bananenstauden, Salat, Papaya-Bäumen et cetera. Wenn ich mir jetzt noch vorstelle, dass nach ein paar Tagen kräftigem Regenfall im Spätherbst auch noch die Berge grün sind, muss das aussehen wie das Paradies. Ein bisschen tut es das aber jetzt auch schon.

Skurrile Formen.

Paradiesisches Tal

Der „Weg“

Papayas überall.

Wäre es nicht schon später Nachmittag und hätte ich keinen Muskelkater, könnte ich jetzt noch 11km weiter laufen zum nächsten Dorf mit Straßenanbindung, um zu hoffen, dass dort vielleicht ein Aluguer fährt. So muss ich aber den Weg wieder zurück gehen, den ich gekommen bin. Nicht so schlimm, er ist ja schön. Gegen frühen Abend, wenn sich die Wolkendecke wieder zuzieht, wird die Stimmung an der Küste von Santo Antão immer etwas bedrückend durch die düsteren Bergwände und das relativ unruhige Meer. Aber das ist vermutlich auch Jahreszeiten-abhängig.

Am nächsten Tag steige ich dann wieder auf die Fähre nach Mindelo, diesmal leider mit weniger fliegenden Fischen.