Weg von Luang Prabang mit seinen zwei schönsten Badestellen aller Zeiten geht es mit dem Bus nach Nong Khiaw – eine idyllische Kleinstadt am Nam Ou, relativ touristisch, aber in keinster Weise vergleichbar mit Vang Vieng oder Luang Prabang. Kurz nach der Ankunft machen wir uns auf den Weg zur Aussichtsplattform, um von dort den Sonnenuntergang zu sehen. Das Schild sagt, es seien 90 Minuten Fußmarsch – auch wenn das etwas großzügig berechnet sein mag, ist es ein sehr, sehr anstrengender Weg. Ich bin mehrmals kurz davor, das indische Essen von vorhin wieder herauszubringen – nicht etwa weil es nicht gut war, mir geht es einfach schon den ganzen Tag ein wenig im Magen herum. Oben angekommen weiß man plötzlich, warum man die Strapazen auf sich genommen hat. Ich will das nicht weiter beschreiben, ich sage nur, es lohnt sich.
Die geplante Wasserfallwanderung am nächsten Tag lasse ich sausen, um meinem Bauch zuliebe einen Ruhetag einzulegen. Einen Tag später begeben wir uns in einer szenischen einstündigen Bootsfahrt über den Nam Ou nach Muang Ngoi Neua. Es ist mit ein wunderbarer kleiner Ort mit knapp unter 1000 Einwohnern, der mangels einer Straße nur mit dem Boot zu erreichen ist und erst seit letztem Jahr eine permanente Stromversorgung hat. Auf der Hauptstraße findet man alles, was man braucht – ein paar kleine Lebensmittelgeschäfte, eine kleine Apotheke, einen Schneider, der aussieht wie ein lachender chinesischer Buddha und zwei All-You-Can-Eat-Buffets. Wir wohnen 3€ pro Person in gemütlichen Bungalows mit Garten direkt am Fluss und während wir ein paar Häuser weiter auf der Terasse des Riverview Restaurants sitzen, schießen einige betrunkene junge Männer mit einem etwas in die Tage gekommenen Gewehr auf ein treibendes Kanu. So sieht vermutlich ein gelungener laotischer Sonntagnachmittag aus. Wir beschließen kurzfristig, uns den Umweg nach Phongsali zu sparen und lieber noch ein paar Tage hier zu bleiben.
An unserem zweiten Tag wandern wir nach Huay Bo, einem der umliegenden Dörfer. Zuerst kommen wir an eine Höhle, in der sich während des zweiten Indochinakrieges die gesamten Anwohner versteckt haben. Eine gruselige Vorstellung. Kurz später lenkt uns ein Wegweiser durch den Wald, quer über ein abgeerntetes Reisfeld und dann durch einen Fluss, bis wir nach einer Weile im Dorf ankommen. Wir gehen zum Konsavan Guesthouse, dessen Besitzer Mr. Keo ein passionierter Jäger ist – so wie die meisten männlichen Bewohner des Dorfes. Die Gelegenheit, mit ihm am nächsten Morgen in einem nahegelegenen Waldstück auf Jagd zu gehen, können sich zumindest Marc und ich irgendwie einfach nicht entgehen lassen, also bleiben wir im Dorf, während Johanna und Eva sich wieder auf den Rückweg machen. Mr. Keo bekommt seinen Strom von einer interessanten Konstruktion an einem kleinen Wasserfall in der Nähe und er muss eine kleine Reparatur daran vornehmen, da das Licht nicht richtig funktioniert. Zum Abendessen gibt es eine mittelprächtige Nudelsuppe, danach liege ich noch eine Weile in der Hängematte und sehe dem Dorftreiben zu. Als ich dann in meinem furchtbar gammelig stinkenden Bett liege, höre ich von allen Seiten schrecklich hustende Dorfbewohner und ein seltsames Gefühl stellt sich ein. Mit dem Hintergedanken, dass hier jährlich Unzählige an Malaria versterben und die meisten vermutlich gar nicht wissen, dass sie ernsthaft krank sind, schlafe ich ein.
Am nächsten Morgen werde ich kurz nach sechs von lauter laotischer Musik geweckt – das ganze Dorf ist schon längst wach. Marc und ich setzen uns noch kurz zu den Einheimischen an eines der Lagerfeuer, die an jeder Ecke brennen und kurz darauf holt uns Mr. Keo mit seiner langen Flinte ab. Er geht mit uns Vögel jagen, für größere Tiere wie Wildschweine müsste man erst einen fünfstündigen Fußmarsch auf sich nehmen. Wir gehen ein Stück durch den Wald zu einem Baum, auf dessen Früchte die Vögel wohl besonders stehen und treffen dort gleich einen weiteren Jäger an. Das Schießen selbst ist keine hohe Kunst, einen Vogel zu entdecken ist da schon schwieriger und wir sind vom vielen Nach-oben-gucken beide mehrmals kurz vor der Genickstarre. Am Ende hat Mr. Keo vier oder fünf ziemlich kleine Vögel in seiner Gürteltasche, die leider nicht genügend Fleisch zum Grillen abgeben, sondern später zu Suppe verarbeitet werden. Wir gehen zurück ins Dorf und nach einer kleinen Mahlzeit machen wir uns wieder auf den Weg nach Muang Ngoi. Kurz nach der Überquerung des Flusses stehe ich barfuß einer Schlange gegenüber, die zum Glück weder giftig aussieht noch besonders angriffslustig ist. Trotzdem ziehe ich mir lieber erst mal wieder meine Schuhe an und kremple die Hosenbeine runter. Kurz später beobachten wir noch ein paar Jungs, die mit selbstgebauten Armbrüsten im Fluss Fische fangen. Gegen zwölf Uhr kommen wir wieder nach Muang Ngoi.
Nach einer kurzen Mittagspause geht es auf eine zweite Tour – „Lao Style Fishing“. Lao Style heißt in diesem Fall vor allem, dass das Bewusstsein für ökologische Nachhaltigkeit und die damit einhergehende Logik schwer zu Wünschen übrig lassen, aber unser Guide Jay trägt das mit solch einem trockenen Humor vor, dass es irgendwie trotzdem sympathisch ist. Die winzigen Fische, die sich in unseren Netzen verheddern, könnten zwar eigentlich noch um ein Vielfaches größer werden, aber auf die Frage, warum er sie dann nicht wieder ins Wasser wirft und erst später fängt, antwortet er, dass das nicht ginge, da sie ja dann von jemand anderem gefangen würden. Aber hey, andere Laoten betreiben Fischfang mit Elektrizität, also ist unser Jay noch einer von den Guten. Er findet besagte Methode auch nicht gut, da (Zitat) dabei die männlichen Fische zu Ladyboys werden und dadurch kein Nachwuchs mehr kommt.
Nachdem wir also eine Weile mit Jay und seinem Wortkargen Kollegen durch den Nam Ou gestreift sind und immer mal wieder das Netz ausgeworfen haben, haben wir schließlich genügend dieser Fische, um ein kleines Barbecue auf einer Insel im Fluss zu machen. Sie werden nach traditioneller asiatischer Rezeptur einmal in Salz und Glutamat gewendet und dann zwischen Stöcke geklemmt und über das Feuer gelegt. Dazu gibt es selbstverständlich Sticky Rice. Ich bin kein großer Fischesser, deshalb bekommt Johanna meine zweite Hälfte und nachdem wir aufgegessen haben, ist es auch schon fast dunkel.
Zurück auf dem Festland essen wir noch etwas „richtiges“ am Buffet und treffen uns danach wieder mit Jay und seiner Flasche LaoLao, den seine Tante bei sich zu Hause brennt. Die Herstellung ist ihm zufolge denkbar einfach („You put sticky rice in bottle, then you make fire under bottle, then it steam and LaoLao come down“). Es wird ein lustiger Abend, in dessen Verlauf Jay uns die dramatischen Texte diverser laotischer Lieder übersetzt und uns überredet, einen Tag länger zu bleiben, um noch ein Duck Barbecue zu machen. Wir bezahlen die Ente und Jay bereitet sie zu. Klingt gut, warum nicht.
Am nächsten Tag kaufen wir also einen Zwei-Kilo-Erpel, den Jay dann nach laotischer Tradition schächtet und ausnimmt. Der Erpel beschwert sich nicht, er nimmt sein Schicksal einfach hin. Das Blut wird aufgefangen und mit Fischsoße vermischt, auch das ist wohl Tradition. Die meisten Innereien und die Beine werden als Delikatessen aufbewahrt, nur das Wenigste wird den Tieren gegeben. Der Rest kommt auf den Grill und dazu wird eine Bohnensuppe mit Ingwer gemacht, die Blut-Fischsoßen-Mischung wird noch mit Erdnüssen und Kräutern angereichert und wir genießen das fertige Mahl zusammen mit Jay und seinem Cousin im Kräutergarten seiner Mutter. Die Ente und die Suppe sind superlecker, die rote Soße überlassen wir den beiden Laoten (die sie mit großer Freude auslöffeln), dazu gibt es Sticky Rice und Beer Lao und es macht den Anschein, als seien alle hoch zufrieden.
Der nächste Tag ist Markttag und wir bekommen noch einen schönen letzten Eindruck dieses gemütlichen Dörfchens, bevor wir wieder ins Boot steigen. An einem Tabakstand sitzen mehrere Männer und testen die verschiedenen Sorten – ich gehe hin, wähle nach dem Geruchstest eine Sorte aus und drücke dem Verkäufer umgerechnet einen Euro in die Hand. Ich bekomme über 200 Gramm. Wir gehen noch frühstücken und fahren dann mit dem Boot fünf Stunden zwischen Bergen hindurch nach Muang Khua. Nach den Beschreibungen und Reiseberichten habe ich ein zweites Paksong erwartet, aber dieses Städtchen ist irgendwie ziemlich charmant. Da wir uns von Jay gar nicht richtig verabschieden konnten, beschließen wir, im örtlichen Copyshop ein Foto von unserem gemeinsamen Essen auszudrucken und zusammen mit einem kurzen Text an den Fährmann zu übergeben, der es am nächsten Morgen nach Muang Ngoi bringen soll – Jay kann nämlich weder Post noch E-Mails empfangen, daher ist das unsere letzte Chance.
Am nächsten Morgen heißt es dann sôhk dee deuh Laos und xing chào Việt Nam.