Wir fahren per Anhalter nach Yazd. Also nicht ganz, erst mal müssen wir aus Abyaneh mit dem Taxi zur Hauptverkehrsstraße kommen. Dann braucht es vier Autos bis wir in die Nähe der Stadt kommen, von wo aus wir wieder ein Taxi nehmen – allerdings müssen wir nie länger als fünf Minuten in der brütenden Hitze warten, bis wir vom Nächsten mitgenommen werden. Es wird immer deutlicher, dass auf dem Land die Allerwenigsten englisch sprechen und wir ohne Anahita keine Möglichkeit hätten, richtig mit den Leuten zu kommunizieren.

Stolzer Paykan-Fahrer

In Yazd treffen wir Zari, das Mädchen aus dem Zug. Sie hat noch eine Theaterprobe, bei der wir zuschauen dürfen und mit kalten Getränken und Eis versorgt werden. Danach fahren wir zu ihrer Familie, die ein bisschen außerhalb der Stadt in einer sehr ursprünglich aussehenden Nachbarschaft wohnt. Inzwischen ist es früher Abend und die Sonne knallt nicht mehr so, weshalb die Nachbarn, die auch zur Familie gehören, alle auf der Straße sitzen und reden. Ich mache ein Foto von ihnen und werde direkt auf eine persönliche Führung mitgenommen, durch den Hühnerstall zu den Ziegen und in die Lehmbau-Ruinen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Zaris Familie ist im Gegensatz zu der von Anahita sehr religiös, was bedeutet, dass die Frauen auch in der Wohnung während unserer Anwesenheit ein Kopftuch tragen und wir uns für nächtliche Toilettenbesuche Hose und T-Shirt anziehen müssen. Aber sie freuen sich wahnsinnig über unseren Besuch und tun alles in ihrer Macht liegende, um unseren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Der Vater hat eine Sprechstörung, weshalb er mit Zeichensprache kommuniziert – das macht es für Till und mich eigentlich einfacher, mit ihm zu sprechen. Er ist auch in diversen Telegram-Gruppen für Taubstumme, denen er nun stolz wie Bolle seinen exotischen Besuch präsentiert. Wir müssen dafür in diversen Selfie-Videos die Daumen hoch in die Handykamera halten.

Theaterprobe

Nachbarn

Ruinen

Familienfoto

Mal kurz nach dem Rechten gucken…

Hühnerstall

Am späteren Abend bekommen wir das Auto der Eltern und Anahita fährt, weil Zari keinen Führerschein hat. Wir nehmen ihren mittleren Bruder mit und fahren noch einmal in die Altstadt, wo auf den Straßen die Hölle los ist. Es sieht so aus, als würde sich hier während des Sommers das ganze Leben abends abspielen, weil die Leute tagsüber so viel Zeit wie möglich in klimatisierten Räumen verbringen. Wir schlendern ein wenig zwischen den beleuchteten Moscheen umher, essen Rinderherzen und -Leber (beides etwas unbefriedigend, da nur mit Brot und ein paar Kräutern, die Deutschen brauchen Soße!) und zum Nachtisch ein Eis mit Safran und Pistazien, danach fahren wir wieder nach Hause. Es ist inzwischen Mitternacht und Zaris zweijähriger Bruder rennt immer noch durch die Bude, als wäre er gerade erst aufgestanden. Während Till und ich in Zaris Zimmer unser Schlaflager eröffnen, liegt Anahita und der Rest der Familie auf dem Boden des Wohnzimmers.

Am nächsten Morgen fahren wir nach dem Frühstück in Richtung Innenstadt, aber unterwegs gabeln wir noch einen Freund von Zari auf, fahren ihn irgendwo hin und sind letztendlich wieder knapp anderthalb Stunden unterwegs, bevor wir unser erstes Ziel erreichen. Diese Aktionen entstehen ständig irgendwie spontan auf dem Weg, dauernd werden Pläne geändert und man fährt hin und her. Wir besuchen einen Garten, in dem die 37 Grad Außentemperatur gut erträglich sind, weil die Bäume Schatten und das Wasser Feuchtigkeit spenden. Je mehr wir mit Zari unterwegs sind, desto mehr merken wir, dass bei ihr und ihrer Familie Taarof noch groß geschrieben wird. Immer wenn wir versuchen, irgendetwas zu bezahlen, auch mit noch so viel Nachdruck, ist sie beleidigt und macht uns klar, dass wir ihre Gäste sind und sowas gar nicht geht. Selbst wenn wir schnell in einen Laden gehen, um neues Wasser zu kaufen, kommt sie hinterhergedackelt und guckt uns böse an, wenn wir schon die Scheine gezückt haben. Es fällt uns etwas schwer, damit umzugehen.

Zum Mittagessen (halb vier nachmittags, normale Zeit im Iran) kommen wir zurück nach Hause und es werden uns drei verschiedene Speisen aufgetischt, wobei aufgeteppicht das richtigere Wort wäre. Eine davon ist Fesenjān, unser aktuelles persisches Lieblingsessen – von Zaris Mutter zubereitet schmeckt es bisher am besten. Danach ist Ruhephase, bis es draußen etwas abkühlt. Abends fährt uns der Vater in die Stadt. Eigentlich wollten wir die goldene Stunde nutzen, um ein paar Fotos in den Gassen und vor den Moscheen zu machen, aber das versteht er leider nicht und er bringt uns stattdessen zu einem Museum über den Zoroastrismus – auch nicht gänzlich uninteressant, aber für Museen ist es irgendwie einfach die falsche Tageszeit. Danach fährt der Vater wieder mit dem Taxi nach Hause (offenbar lag ihm einfach nur besonders viel daran, uns dieses Museum zu zeigen) und wir gehen zu einer der großen Moscheen, wo gerade eine Predigt stattfindet. Danach wandeln wir durch die Lehmgassen der Altstadt, die unter Weltkulturerbe stehen. Zum Schluss sitzen wir noch ein bisschen auf einem Dachcafé und fahren dann spätabends wieder gen Familienhaus, aber machen noch einen Umweg zu einer Freundin, die bei Instagram gesehen hat, dass Zari Besuch hat und uns deshalb selbst gebackenen Kuchen schenken möchte. Mitternachts gibt es dann noch Abendessen mit der ganzen Familie – so richtig werden wir nicht warm mit diesen Zeiten.

Zari arbeitet auch beim Film.

Beten

Alte Gassen

Der letzte Tag in Yazd ist recht entspannt. Wir schlafen lang, frühstücken nicht und essen dafür zu einer recht deutschen Zeit auswärts Mittag. Ich gehe zum Friseur, den ich auch nicht selbst bezahlen darf (es ist zum verrückt werden!) und wir besuchen noch 1-2 Sehenswürdigkeiten. Am späten Nachmittag führt uns Zari zum Reitunterricht, wo wir ein bisschen zusehen und dann auch jeder mal eine Runde drehen. Danach schauen wir uns etwas außerhalb von Yazd noch eine Moschee an, die bis vor 30 Jahren im wahrsten Sinne des Wortes vom Erdboden verschluckt war, weil das Dorf, zu dem sie gehört, vor geraumer Zeit wegen Wassermangel von seinen Bewohnern verlassen und dann vom Wind nach und nach zugeschüttet wurde. Anschließend heißt es packen, von der Familie verabschieden und zum Bahnhof fahren, von wo unser Nachtzug uns weiter gen Süden bringt.

Reitschule

Reitschülerin