Der Bus erreicht Istanbul am 30. Dezember mit zwei Stunden Verfrühung um 6 Uhr. Ich brauche eine kurze Weile, um wieder zu erwachen, helfe den Mitreisenden noch mit meiner Offline-Karte und laufe dann zu meiner Unterkunft. Auf den Straßen ist noch wenig los, nur einige Männer schieben Waren auf Sackkarren von A nach B. Ich werde von einem freundlichen Rezeptionisten empfangen, der zwar kein Wort Englisch spricht und auch nichts davon weiß, dass ich per Mail zumindest auf meine ohnehin schon verfrühte Ankunft hingewiesen habe, mich aber (weil mein gebuchtes Zimmer noch belegt ist) in eine Art „Notfallzimmer“ bringt, wo ich noch mal drei Stunden schlafen kann.  Zwischen Zehn und Elf ziehe ich um, dusche und begebe mich dann auf den Weg, um mich mit Berni und Laura zu treffen, die den Jahreswechsel ebenfalls in Istanbul verbringen. Es schneit und stürmt. Besonders auf dem Weg über die Galatabrücke besteht größte Notwendigkeit zur absoluten Verdichtung aller Kleidungsstücke. Ich besorge mir Bargeld und eine Istanbulkart und nehme die Öffentlichen zum Taksim Square, wo ich mit den Beiden in einem Café treffe, das sich im Preisniveau nicht von einem hiesigen unterscheidet. Aber es ist gemütlich und warm. Überhaupt spielt sich der restliche Tag aufgrund des ungemütlichen Wetters zu einem relativ großen Teil in Gaststätten und auf Basaren ab. Eine von ersteren haben wir eigentlich für das Mittagessen auserkoren, entscheiden uns dann aber nach dem Blick in die Speisekarte, die ausschließlich Dinge wie Gehirn-Salat oder Innereien-Suppe führt, doch dafür, hier nur einen Tee zu trinken. Abends hole ich Johanna vom Flughafen ab.

Das Wetter am Silvestertag ist nicht wirklich besser. Wir besuchen den Topkapi-Palast, der seine 30 Lira Eintritt zumindest bei verschneiten Gartenanlagen nicht unbedingt wert ist. Das spannendste dort ist eigentlich die Speisekarte der Ottomanen, die jedes Jahr unter Anderem knapp 1000 Tonnen Huftiere verpeist haben. Die blaue Moschee ist als nächstes dran und wirklich beeindruckend mit ihren gigantisch hohen und reich verzierten Decken. Nachmittags ziehen wir für einen kurzen Ausflug in die Welt der Reichen und Schönen in das Naz City Hotel um. Unsere Buchung hat sogar ein Upgrade auf ein Zimmer mit Balkon bekommen, aber Balkonwetter ist ja leider nicht so richtig. Am Abend treffen wir uns wieder mit Laura und Berni zum Essen und wir finden durch Zufall ein verstecktes Juwel der türkischen Küche, irgendwo in einer Querstraße der Istiklal Caddesi. Wir essen dort nur Vorspeisen, davon aber reichlich – inklusive dem besten Hummus aller Zeiten. Kurz vor zwölf gehen wir von dort aus mit einer Raki-Flaschenmische zum Taksim Square, wo die Hölle los ist. Eigentlich wollten wir noch an einen Punkt mit Aussicht, aber dafür sind wir zu spät dran. Das ist aber nicht schlimm, denn wie wir ein paar Minuten später mitbekommen, gibt es entgegen unserer und der Erwartungen der hier versammelten Leute (die alle schon ihr Handy zum fotografieren bereithalten) kein Feuerwerk. Es ist wohl so, dass die Stadt in manchen Jahren eines organisiert und in anderen keins. Bei den Anwesenden ist trotzdem Stimmung, ein paar Idioten haben irgendwo ein Schaf geklaut und treiben dieses nun durch die Menschenmengen, wir verschwinden lieber aus dem Gewusel. Wir finden einen gefühlt ca. acht Quadratmeter großen Irish Pub, wo wir den Rest des Abends überteuertes Bier trinken und uns der betrunkene Betreiber immer wieder in einem starken irischen Akzent beteuert, dass das hier das „real life“ sei.

Wir versuchen, rechtzeitig für das Frühstücksbuffet aufzustehen, es ist uns aber unmöglich. Als wir uns dann gegen späten Mittag aus dem Bett schälen, ist strahlender Sonnenschein und wir verwerfen unseren Plan, einen Gammeltag einzulegen. Stattdessen gehen wir zum Galata-Turm – das haben sich offensichtlich noch ein paar andere Menschen überlegt, aber der Ausblick lohnt das Anstehen. Zum Sonnenuntergang nehmen wir die Fähre nach Asien und der Bosporus ist in tiefrotes Licht getaucht. Wir essen auf asiatischer Seite, fahren dann zurück, nutzen den Wellnessbereich unseres Schickimickihotels und gucken uns im ZDF, dem einzigen deutschen Sender unseres Fernsehers, ein filmisches Meisterwerk namens „Kreuzfahrt ins Glück“ zum Einschlafen an.

Am zweiten Januar starten wir den Tag mit ein paar Bahnen im Pool, essen Frühstück für zwei Tage und ziehen dann aus Kostengründen in eine etwas heruntergekommene AirBNB-Wohnung um. Dann fahren wir zu viert mit der Straßenbahn ein wenig aus dem Zentrum heraus an die alte Stadtmauer und ins Roma-Viertel Sulukule. Es ist ziemlich interessant da und in dem kleinen Lokal, in dem wir zu Mittag eine Linsensuppe essen, wird alles getan, damit es uns gut geht. Zum Glück spricht Berni ein wenig Türkisch. Wir fahren dann noch mit dem Bus nach Fener, einem etwas heruntergekommenen Wohnviertel, das aber durchaus einiges an Charme besitzt. Wir treffen dort auf jemanden, der viele Jahre in Österreich gearbeitet hat und daher recht gut deutsch kann. Er wirkt zuerst sehr nett, aber als wir auf eine Gruppe Kurden treffen, sagt er, das seien alles schlechte Menschen, die Touristen mit dem Messer bedrohen und ihnen das Portemonnaie abnehmen. Er verabschiedet sich mit „Heil Hitler“ und verschwindet in die Moschee. Abends lernen Johanna und ich noch Mustafa kennen, den Gemüsehändler von gegenüber, der uns zu lieben scheint. Er berechnet prinzipiell nur einen Teil von dem, was wir kaufen, schenkt uns noch Bananen oder Mandarinen und bemüht sich, uns ein paar Wörter türkisch beizubringen.

Die letzten beiden Tage spielen sich noch größtenteils in Sultanahmet ab, dem touristischen Altstadtviertel. Wir besuchen am vorletzten Tag die Hagia Sofia, die noch ein kleines bisschen beeindruckender ist als die Blaue Moschee und wandeln dann durch Gassen, die gar nicht weit entfernt von den Haupt-Attraktionen sind, wo sich aber außer uns offenbar kaum Touristen hin verirren. Wir entdecken ein Süßwarengeschäft, wo alles nur die Hälfte von dem kostet, was einen halben Kilometer weiter nördlich verlangt wird und schlagen in großem Stil zu. Außerdem gehen wir in die „Küçük Ayasofya“ (kleine Hagia Sofia), eine deutlich authentischere und ruhigere Moschee als ihre große Schwester. Am Tag unserer Abreise quälen wir uns noch durch die beiden großen Basare, ich gebe Berni alles, was ich nicht im Handgepäck mitnehmen darf (die beiden bleiben noch ein paar Tage länger und haben Aufgabegepäck) und Johanna gönnt sich zum Abschluss noch einen gegrillten Fisch von einem der Schaukelboote in Eminönü. Auf der U-Bahn-Fahrt zum Flughafen fürchten wir schon, unseren Flug zu verpassen, der aber letztendlich eine Stunde Verspätung hat. Wir fliegen in ein wunderschön verschneites Prag und hätten gern noch etwas mehr Zeit, aber der Bus nach Hause wartet nicht…

 

Fotos mit der Leica M6 (mit defekten Belichtungszeiten, wie ich nachher feststellen musste), Voigtländer Nokton 35mm 1.2 und Fuji Velvia (Farbe) bzw. Agfa Scala (Schwarzweiß)

Blaue Moschee

Blaue Moschee

Blaue Moschee

Blaue Moschee

Sulukule

Sulukule

Sulukele

Sulukele

Sulukele

Sulukele

Sulukele

Sulukele

Stolzer Ladenbesitzer...

Stolzer Ladenbesitzer…

...und seine Frau.

…und seine Frau.

Hotel-Selfie

Hotel-Selfie

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Ausblick vom Galata-Turm

Ausblick vom Galata-Turm

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Hagia Sofia

Hagia Sofia

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Galatabrücke

Galatabrücke

Übersetzen nach Asien

Übersetzen nach Asien

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Schwer beladen

Schwer beladen