Tag 1 – Ankunft in Damdame
Rabindra ist der Organisator des Damdame Homestay, seine Familie sind die Gastgeber. Ich treffe mich mit ihm mittags an der Haltestelle für die öffentlichen Busse in Pokhara. Ich habe mein Gepäck auf den kleinen Rucksack minimiert und nun soll es für ein paar Tage in die dörfliche Idylle gehen. Der Plan war eigentlich, dass wir mit dem Bus so weit fahren, wie wir kommen und den Rest laufen, aber Rabindra hat sich ein Motorrad geliehen und nimmt mich darauf mit. Damdame liegt sehr schön, mitten in hügeligen Reisterassen, von denen man leider auf Grund des dunstigen Wetters nicht allzu viel sieht. So ziemlich alles, was hier verzehrt wird, stammt aus eigenem Anbau. Dar Kumari – oder auch einfach Ama – ist die Mutter des Hauses und der Village Chief. Sie heißt mich mit einem süßen Tee und ein paar Momos willkommen. Nach dem Essen inspizieren die Nachbarskinder erst einmal genauestens meine Kamera und mein Taschenmesser und eine von ihnen macht hunderte Fotos mit meinem Handy. Danach gehe ich mit Ama eine Runde durchs Dorf und unterhalte mich anschließend eine Weile mit Rabindras Bruder (dessen Namen ich leider vergessen habe), da Rabindra selbst wieder nach Pokhara gefahren ist. Ich finde zum Beispiel heraus, dass die Eltern (der Baba ist übrigens 81 Jahre alt) vor zwei Jahren mit ehemaligen Gästen durch Europa gereist sind – und vorher noch nie das Land verlassen haben. Ich bekomme nepalesischen Wein (Raksi), der ungefähr genauso eklig schmeckt wie der Reiswein in Südostasien, und Dhal Bat (Reis mit Linsen) – das Nationalgericht. Es schmeckt ziemlich lecker, aber bekommt meinem angeschlagenen Magen leider gar nicht gut. Die kommende Nacht wird recht kurz, mit Durchfall, Sodbrennen und einer sich anbahnenden Erkältung.
Tag 2 – Fischen und schonen
Als es wieder hell wird und langsam Leben auf dem Hof eingekehrt, komme ich herunter und werde von Rabindras Bruder gefragt, ob ich mit ihm zum Fischen an den Fluss kommen möchte. Ich habe den Fluss schon auf der Hinfahrt bewundert und kann irgendwie nicht nein sagen. Ich frage noch, ob ich meine Wanderschuhe anziehen soll, aber nö, Flip Flops seien okay. Es entpuppt sich als eine sehr, sehr schlechte Idee. Der Weg ist quasi nicht existent und geht extrem steil nach unten durchs Gestrüpp. Zum Zeitpunkt der Ankunft am Fluss bin ich schon völlig fertig und weiß, dass hier nichts mit mir anzufangen sein wird. Ich beobachte das Treiben eine Weile, sitze zum Schluss aber nur noch zusammengekauert auf einem der Felsblöcke. Der Weg nach oben fühlt sich an wie Frodos letzte Meter auf den Schicksalsberg. Es ist eine einzige Kletterei und ich gehe lieber Barfuß als in Flip Flops. Zurück im Dorf meint Dar Kumari, mir würde eine Bohnensuppe guttun und aus Höflichkeit esse ich ein bisschen und gehe dann für mindestens vier Stunden schlafen.
Als ich aufwache, ist alles anders. Ama ist weg, weil sie in Pokhara zum Arzt muss. Dafür sind drei Slowenier da, von denen zwei (Micha und Nina) schon mehrmals hier waren und Micha witzigerweise das Video gedreht hat, was ich zur Entscheidungsfindung bezüglich dieses Dorfes bei Youtube gesehen habe. Die dritte von ihnen (Alia) versorgt mich mit Medizin, weil ich wohl auch ziemlich beschissen aussehen muss. Kurz darauf kommt ein kurzer aber heftiger Sturm, der den Dunst zumindest ein Stück wegbläst. Den Himalaya sieht man aber immer noch nicht. Kurz darauf kommt Rabindra aus Pokhara mit mehr Verwandtschaft zurück, allerdings ohne Ama, weil die erst am nächsten Tag einen Arzttermin bekommen hat. Es ist volles Haus, aber mir steht nicht so richtig der Sinn nach Raksi, deshalb seile ich mich ab. Ich empfange beim etwa dreißigsten Versuch endlich mal genügend Netz, um Johanna anzurufen, aber nach zwei Minuten ist mein Guthaben leer. Ich bekomme ein wenig Heimweh.
Tag 3 – Schule, Krishna und Aufbruch nach Panchase
Am nächsten Tag geht es mir deutlich besser. Ich probiere, wie weit ich gehen kann, indem ich ein wenig die Hügel hochgehe und mir die Ecken des Dorfes ansehe, die ich noch nicht gesehen habe. Zwischen den Reisfeldern treffe ich auf ein paar uniformierte Kinder und einen Lehrer, die unterwegs zur Schule sind – sie nehmen mich prompt mit. Ich werde dort erst ins Lehrerzimmer eingeladen und mir wird etwas zu essen angeboten, aber ich lehne dankend ab. Nach einer Weile steht ein besonders schlagfertiger kleiner Junge in der Tür – Krishna. Er zeigt mir die Klassenzimmer, denn es ist offensichtlich gerade kein Unterricht. Die Klassen sind bunt zusammengewürfelt aus Kindern und Jugendlichen der unterschiedlichsten Altersgruppen. Krishna klärt ab, wie er mich auf Facebook findet und wie viel er dafür bezahlen müsste, mich in Deutschland zu besuchen. Nach einer Weile gehe ich zurück zu Dar Kumaris Haus und da ich mich fit genug fühle, beschließe ich, ein Stück mit den Sloweniern und Rabindra zu laufen und dann weiter nach Panchase zu wandern. Der Panchase Hill – mit seinen 2500 Metern für Nepal-Verhältnisse wirklich nichts weiter als ein Hügelchen – verspricht bei klarem Wetter eine spektakuläre Sicht auf die Annapurna-Kette.
Wir laufen noch gar nicht lange, da kommt von hinten im Stechschritt Krishna angelaufen. Er läuft jeden Tag zwei Stunden zur Schule und zwei Stunden zurück nach Hause, sein Heimatdorf liegt auf unserem Weg. Dieser Junge ist irgendwie bemerkenswert und auf seine eigene, trockene und vielleicht auch teilweise ungewollte Art sehr humorvoll. Er möchte nach der Schule in Pokhara an die Universität gehen und dann nach Europa ziehen, um Doktor der Philosophie zu werden (so etwas meine ich). Micha und Nina kannten ihn natürlich schon und Micha hat ihm diesmal Abzüge von den Fotos mitgebracht, die er beim letzten mal von ihm gemacht hat. Damit kann man Freude spenden! Als wäre es vorbestimmt kommt der lange abzusehende Regen genau, als wir das Dorf Sidane erreichen, wo Rabindra Verwandtschaft hat, die ebenfalls einen Homestay betreiben. Wir bekommen dort Tee und karamellisierte Kartoffeln und warten eine Stunde, bis es aufhört. Krishna lernt in der Zwischenzeit fleißig für seinen Test am nächsten Tag und erklärt mich zu seinem neuen Bruder.
Nach dem Regen ist es angenehm kühl und ich bin froh, meine Jacke nicht umsonst eingepackt zu haben. Unsere Wege trennen sich und ich laufe noch knapp 90 Minuten nach Bhanjyang, dem letzten Dorf vor der Spitze des Panchase Hill. Auf dem Weg dorthin muss ich mich immer wieder umdrehen, denn im Rücken habe ich nun (endlich!) eine gute Sicht auf die Gipfel des Annapurna Himal. An einer Stelle, wo die Stufen sich mit der Straße kreuzen, sitze ich nun also ehrfürchtig unter jenen schneebedeckten Gipfeln, die schon einige das Leben gekostet haben und versinke in Gedanken. Plötzlich kommt ein Bus mit basslastiger Tanzmusik und vollgestopft mit tanzenden und jubelnden Nepalis vorbei – ziemlich skurril, zumal hier eigentlich keine Busse fahren sollen. In Bhanjyang will ich eigentlich auf wärmste Empfehlung der Slowenier ins Happy Hearts Hotel, das ist allerdings voll, daher gehe ich ins Green Village Guesthouse – auch sehr nett. Ich mach noch ein paar Timelapses, gucke eine Folge Mr. Robot (übrigens sehr empfehlenswert) und bin eigentlich um acht bettfertig, liege aber wegen meiner Erkältung noch zweieinhalb Stunden wach. Blöd, denn der Wecker klingelt 3:30 Uhr.
Tag 4 – Panchase Hill Peak, Wandern und Rückkehr nach Pokhara
Es ist schon eine etwas grenzwertige Zeit. Aber dafür werde ich mit einer kristallklaren Sternenhimmel über dem Himalaya belohnt. Schade nur, dass der Mond so hell ist, sonst könnte man sicherlich die Milchstraße sehen. Ich packe meine sieben Sachen und mache mich auf den ziemlich anstrengenden Weg nach oben. Es sind 500 Höhenmeter zu bewältigen, angeblich dauert es eine Stunde, aber in meinem suboptimalen Gesundheitszustand sind es mindestens anderthalb. Ehrlich gesagt bin ich ein wenig enttäuscht über die Aussicht. Man ist zwar schön weit oben, aber einige Bäume sind immer noch höher – es sind von den verschiedenen Punkten immer nur ein bis zwei Gipfel zu sehen. Dafür bin ich komplett allein und der Schnee auf den Bergen wird in kräftiges Rosa getaucht – der buddhistische Mini-Tempel ist auch ganz schön, wenn man ihn ganz für sich hat. Nach dem Sonnenaufgang geht es wieder bergab in Richtung Bhadaure – es dauert etwa drei Stunden und zum ersten Mal während meiner Reise stecke ich mir Ohrhörer in die Ohren und höre Musik. Eine sehr gute Idee, denn so wird die Landschaft fast noch ein bisschen schöner!
Bis kurz vor Bhadaure treffe ich außer ein paar Büffeln niemanden. Dort angekommen habe ich keine große Lust mehr auf den weiteren Fußmarsch nach Kande, also stelle ich mich an die „Straße“ (man kann es eigentlich nicht wirklich so nennen), in der Hoffnung, dass vielleicht ein Motorradfahrer nach Pokhara fährt und mich mitnehmen kann. Tatsächlich hält nach einer Viertelstunde ein Jeep, der offenbar eine Art Bus-Ersatz zwischen den Dörfern darstellt, wo kein Bus fahren kann. Es kostet 200 Rupies (1,70€) bis Pokhara und ruckelt wie verrückt. Der Fahrer hat außerdem noch einen Kanister Raksi im Gepäck, der in meinem Fußraum ausläuft und hinter mir sitzen dicht an dicht etwa zehn Gurung-Frauen, die immer mal irgendetwas schreien. Zurück in Pokhara bin ich völlig fertig und kann erst mal wieder nur eine Runde schlafen. Danach pfeife ich mir ein paar Elektrolyte rein und hole mir in der Apotheke Nasenspray und einen Saft gegen Sodbrennen. Damit geht es mir besser.
0 Comments
1 Pingback